Falschbezeichnung schadet nicht
Wenn ein Jurist die Überschrift liest, denkt er sofort an den Haakjöringsköd-Fall. Dieser Fall wurde 1920 vom Reichsgericht entschieden.
Doch bei dem folgenden Sachverhalt geht es nicht um die Anfechtung eines Vertrags, sondern um Maßnahmen zur Nachrüstung auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung.
Ein Maschinenbauunternehmen in Nordrhein-Westfalen, (nennen wir es ABC) kaufte von seinem Kunden (XYZ) eine Presse zu einem profitablen Preis.
Verbunden mit dem Kauf ist die Vereinbarung, dass ABC etwa 40–50 qualitativ sehr hochwertige Produkte pro Jahr für XYZ herstellt.
XYZ verkauft eine Presse, damit ABC auf der Presse für ihn Produkte fertigen kann.
Fachliche Beurteilung durch Dr. Frenzel
Dr. Frenzel wurde von dem Betriebsleiter ABC gefragt, was denn alles zu beachten sei, wenn die Presse aufgestellt wird.
Dr. Frenzel antwortete, dass bei einer Presse besondere Anforderungen sowohl materieller als auch organisatorischer Art erfüllt werden müssen, z. B. Presseneinrichter, Kontrollperson, Pressenbuch seinen unabdingbar erforderlich.
Der Betriebsleiter ließ von Fachfirmen Angebote für die sicherheitstechnische Aufrüstung der Presse erstellen. Als die Angebote vorlagen, war die Enttäuschung groß. Die Kosten wären für eine wirtschaftliche Produktion viel zu hoch.
Der Betriebsleiter erteilte Dr. Frenzel den Auftrag, den Sachverhalt von Grund auf zu prüfen.
Allmählich kristallisierte sich heraus, dass die Presse keine Presse ist, obwohl Verkäufer (XYZ) als auch Käufer (ABC) dieses so im Kaufvertrag vereinbart hatten.
Auszug aus der BGI/GUV-I 724:
„Pressen“ […] sind Maschinen (für die Kalt- oder Warmbearbeitung von Metall):
1. zum Zwecke der Form gebenden Be- und Verarbeitung von Werkstoffen und Gemengen,
2. bei denen die Werkzeugbewegung als geradlinige Schließbewegung und
3. die Be- und Verarbeitung durch die Werkzeugschließbewegung erfolgt.“
(Anm.:Alle drei Kriterien müssen erfüllt sein.)
„Keine „Pressen“ im Sinne dieser Information sind:
- Exzenter- und verwandte Pressen der keramischen Industrie,
- hydraulische Spanplatten-, Furnier-, Folien-, Sperrholz- und Nagelplattenpressen der Holzindustrie,
- hydraulische Pressen der Schuhherstellung und -instandsetzung,
- hydraulische Pressen der Be- und Verarbeitung von Bekleidung und Textilien,
- hydraulische Pressen für die Herstellung und Verarbeitung von Leder,
- Maschinen zur Fertigung von Steinen, Platten und Rohren aus Beton,
- hydraulische Pressen der keramischen und Glas-Industrie,
- hydraulische Ballenpressen,
- Handspindelpressen,
- Strangpressen,
- reine Innenhochdruckumform-Anlagen, bei denen der Stößel keine Vorform-Operation ausführt,
- Maschinen zur Herstellung von Bolzen, Schrauben, Nieten sowie Lochstanzen (kombinierte Scheren) und CNC-Stanzmaschinen,
- Spann-, Montage-, Transport-, Füge-, Einlege- und Eindrück-Einrichtungen,
- Tafelscheren,
- Nietmaschinen,
- Revolver-Lochstanzen,
- Lochstanzen für die Bearbeitung von Profilen,
- Richtpressen,
- Schrottpressen sowie
- Tuschierpressen.
Diese Maschinen gehören jedoch auch zu den nach Betriebssicherheitsverordnung durch befähigte Personen wiederkehrend zu überprüfenden Arbeitsmitteln.“
Quelle: http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/i-724.pdf
Fazit
Da von ABC für seinen Kunden XYZ nur Teile zusammengefügt werden – der Druck ist ausschlaggebend –, handelt es sich bei dieser Maschine um eine Füge-Einrichtung.
Hier zieht auch die Berufsgenossenschaft mit. Das bestätigte ein übermitteltes Rundschreiben der Berufsgenossenschaft Holz und Metall – BGHM, Themenfeld Pressen und Schmieden, mit der Nummer 56/89 vom 16.10.1989 der Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft (heute BGHM; http://www.bghm.de).
Und das bedeutet für den Klienten jetzt bei der Maßnahmenfestlegung – selbstverständlich unter Beachtung der Sicherheit und der Ergonomie – auf viele Maßnahmen verzichten und damit die Kosten für die Nachrüstung in Grenzen halten zu können.
Die Hartnäckigkeit des Betriebsleiters, sich nicht mit den Aussagen der Fachfirmen, die er zur Nachrüstung eingeschaltet hatte, zufriedenzugeben, wird sich für das Unternehmen in Euro und Cent auszahlen.
Nutzen für den Kunden:
- notwendige Investitionskosten halten sich in Grenzen
- Sicherheit der Beschäftigten wird gewährleistet
- organisatorischer Aufwand wird erheblich reduziert.
Und damit gilt auch hier
Falschbezeichnung schadet nicht –
Falsa demonstratio non nocet.